Die Benachteiligung von Frauen in zentralen gesellschaftlichen Bereichen abzubauen war das Ziel des Frauenförderungsgesetzes in Deutschland von 1994. Aber die Erfahrung zeigte, dass mit diesem Gesetz die gewünschten Ziele nicht zu erreichen waren, die Frauenförderung zumindest in Teilen zu kurz gegriffen hat. Nicht zuletzt deshalb wurde mit dem Vertrag von Amsterdam 1999 für alle EU-Mitgliedstaaten das "Gendermainstreaming" vereinbart und die Gleichstellung in Deutschland 2001 erstmals in einem eigenen Gesetz geregelt. Die neuen politischen Vorgaben werden derzeit lebhaft diskutiert und Umsetzungen für verschiedenste Berufs- und Lebenskontexte erarbeit. Für die Erwachsenen-/Weiterbildung ist dieser Sichtwechsel von der Frauenförderung zur Gleichstellung der Geschlechter allerdings noch nicht übersetzt. In diesem Artikel wird gezeigt, dass die Perspektive auf das Geschlechterverhältnis auch die gesellschaftliche Relevanz von Weiterbildung auf die Probe stellt.

Das erste Gleichstellungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist seit Dezember vergangenen Jahres verabschiedet. Das „Gendermainstreaming“ wird als politische Aufgabe von einzelnen Bundesministerien in Deutschland bereits aktiv verfolgt – so zum Beispiel auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (www.bmbf.de). Diese verbindlichen Setzungen beinhalten einen zentralen Perspektivwechsel: Bei allen politischen Aktionen muss gleichwertig auf Interessen und Lebenssituationen von Frauen und Männern Rücksicht genommen und die traditionelle Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern kritisch fokussiert werden. Gerade auch Vertreter des männlichen Geschlechts (als Führungspersonal) werden für die Realisierung ausdrücklich in die Pflicht genommen. Für die Weiterbildung bedeutet dies, dass bildungsspezifische Möglichkeiten zum Verlernen veralteter Geschlechterschablonen erarbeitet werden müssen; bislang wurde diese Aufgabe entweder nicht erkannt oder tabuisiert. Professionelle Aufmerksamkeit für Geschlechterdifferenzen Allgemeine wie berufliche Weiterbildung präsentieren sich in all ihren didaktischen Dimensionen vordergründig geschlechtsneutral. Lediglich die Frauenförderung wird als Sonderfall mit eigenen Zielen, Ansprache- und Lernformen ausgewiesen. Hinterfragt man Bildungsprogramme nach verdeckten geschlechtstypischen Mustern, so fällt etwa beim Bildungsangebot für Frauen ins Auge, dass es allzu häufig auf vermeintliche Defizite fokussiert ist; Beispiel Rhetorikkurse – als könnten sich Frauen in der Öffentlichkeit, auf Podien und an Konferenztischen allenfalls stammelnd oder ums Wort ringend behaupten. Weiterbildung wird so zum heimlichen Transformator von Geschlechterstereotypen. Das Lernen der Männer oder unterschiedliche weibliche und männliche Bildungspräferenzen sind in der Profession kein explizites Thema, und das obwohl die Daten zu geschlechtsdifferenten Teilnahmequoten als sprudelnde pädagogische Erkenntnisquelle auszuschöpfen wären. Entsprechend klammert die sehr facettenreiche Diskussion um zukunftsfähige Konzepte der Weiterbildung geschlechtssignifikante Merkmale aus. So bleibt nicht zuletzt das Postulat der Teilnehmerorientierung geschlechtsblind: Es ignoriert verschiedenartige Lerninteressen von Frauen und Männern. Gerade in Zeiten selbstorganisierter Zugänge Erwachsener zur Bildung wirkt sich dieser konzeptuelle Mangel kontraproduktiv aus. Chancen für geschlechtsbewusstes Lernen Theoretische Einsichten und empirische Befunde der Genderforschung finden sich mittlerweile in allen wissenschaftlichen Disziplinen und beleuchten den sozialen Wandel, der mit der Erosion des überlieferten Geschlechterverhältnisses verbunden ist. In der Weiterbildung ist der Anschluss an diese Ergebnisse noch nicht gelungen. Der Vergleich zwischen den Geschlechtern würde beispielsweise zeigen, dass die Frauenbewegung eine Frauenbildungsbewegung war, die heute zum Bildungsvorsprung der Frauen führt. Auch kämen die Versuche der Männer ans Licht, sich aus dem engen Käfig der klassischen Männerrolle mit seiner ausschließlichen Fixierung auf den Beruf und der Distanz zum Alltagsleben zu befreien. In der Übertragung der Genderforschung für die Weiterbildung liegt der Schlüssel für ein neues Verhältnis zwischen den Geschlechtern, in dem private und öffentliche Aufgaben anders als gewohnt verteilt werden – z.B. Frauen nicht nur in Männerdomänen vordringen, sondern auch Männer in weibliches Terrain wechseln. Hier wäre auch die Nahtstelle, an der die Weiterbildung ins Spiel kommt. Über den Wechsel geschlechtstypischer Rollen und Funktionen müssen sich Frauen mit Männern im Lernkontext direkt auseinandersetzen können, um hinfälliges Sozialisationsgepäck abzustreifen. Sie sollten prüfen können, welches Wissen für den Entwurf alternativer Lebens- und Arbeitsmodelle tauglich ist und welches nicht. Zur pädagogischen Kompetenz gehört unter diesen Vorzeichen deshalb nicht nur Kunstfertigkeit in der Vermittlung von Wissen, sondern auch bei der Auswahl und Beurteilung von Wissen nach geschlechtsrelevanten Kriterien. Folgt man dem politischen Postulat der Gleichstellung, so bringt ein Mehr an Geschlechterdemokratie zweifellos einen gesellschaftlich hochaktuellen und sehr innovativen inhaltlichen Anspruch in die Weiterbildung, der zuerst einmal viel Stoff zur professionellen Selbstreflexion gibt. Weitere Informationen: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Hansaallee 150, 60320 Frankfurt/Main, Angela Venth, Fon 069/95626-134, Fax 069/95626-174, E-Mail venth@die-frankfurt.de Literaturhinweise „Frauen lernen anders – Männer auch“ (www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2000/venth00_02.doc) DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung: „Frauen-Fragen?“, Frankfurt/Main III/99 DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung: „Männer“, Frankfurt/Main IV/2000

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