Anfang Mai hat das DIE die Mitglieder der Sektion A – Geisteswissenschaften und Bildungswissenschaften der Leibniz-Gemeinschaft begrüßt, die sich u.a. zum Thema „wissenschaftliche Politik- und Gesellschaftsberatung“ austauschten. Zu Gast waren die Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Martina Brockmeier, und die Generalsekretärin Dr. Bettina Böhm. Brockmeier thematisierte auch die aktuellen Herausforderungen der Leibniz-Gemeinschaft angesichts veränderter bildungspolitischer und finanzieller Rahmenbedingungen.

Sektion A der Leibniz-Gemeinschaft
Mitglieder der Sektion A – Geisteswissenschaften und Bildungswissenschaften zu Besuch im DIE

Frau Prof. Dr. Brockmeier, Sie haben sich persönlich sehr für das neue Förderformat der Leibniz-Labs engagiert. Derzeit bereiten interessierte Institute Antragsskizzen vor. Was versprechen Sie sich von den geplanten Leibniz-Labs?

Der Kerngedanke hinter den Leibniz-Labs ist die Integration von bereits vorhandenem Wissen in den Leibniz-Instituten, das dann zur Lösung gesellschaftlich drängender Fragestellungen eingesetzt werden kann. Die Leibniz-Labs sollen dafür das Innovations- und Transfer-Potenzial der Leibniz-Gemeinschaft für Transformationsprozesse noch besser ausschöpfen, indem wissenschaftliche Erkenntnisse interdisziplinär zusammengeführt und in transferfähige Ergebnisse überführt werden.

Die dafür benötigte wissenschaftliche Synthese und integrative Perspektive – über Instituts- und Disziplinengrenzen hinweg  – sollen unter Einbindung relevanter Akteure aus Politik und Gesellschaft in den interdisziplinär und transdisziplinär arbeitenden Leibniz-Labs erprobt werden.

Auch die Leibniz-Institute stehen unter großem Druck durch tarif- und energiebedingte Kostensteigerungen. Wie wird die Leibniz-Gemeinschaft mit diesen Herausforderungen umgehen? Sehen Sie die Gefahr, dass Arbeitsbedingungen in Leibniz-Instituten beeinträchtigt werden?

Steigende Energie- und Materialkosten sowie inflationsbedingte Anstiege der Personalkosten betreffen alle Leibniz-Institute. Besonders betroffen sind diejenigen Institute, die energieintensive Forschung oder Infrastrukturen betreiben oder auch sehr personalintensiv arbeiten. Bislang sind die befürchteten Knappheiten hinsichtlich der Energieversorgung glücklicherweise ausgeblieben. Die Energiepreissteigerungen konnten zudem durch staatliche Maßnahmen zur Unterstützung der Wissenschaft abgefedert werden.

Inwieweit die Personal- und Materialkostensteigerungen die Arbeitsbedingungen der Leibniz-Institute mittel- bis langfristig beeinflussen, bleibt abzuwarten. Zumindest im Jahr 2024 könnte aber eine weitreichende Abfederung der ansteigenden Kosten gelingen, da die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hier eine Umwidmung von nicht verausgabten Leibniz-Fördergeldern in Aussicht gestellt hat.

Das BMBF arbeitet an der Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG). Es musste veröffentlichte Eckpunkte zur Novelle nach Protesten aus der Wissenschaft und einer kritischen öffentlichen Debatte wieder zurückziehen. Die #Ich-bin-Hanna-Debatte auf Twitter übt auch Druck auf die Politik aus. Der Staatssekretär hat zwischenzeitlich zu einem Gespräch mit Stakeholdern eingeladen. Wie positioniert sich die Leibniz-Gemeinschaft zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz?

Die Leibniz-Gemeinschaft hat gemeinsam mit ihren Partnern in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen eine Stellungnahme zu den Plänen des Bundesforschungsministeriums zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes abgegeben.

Wir sehen vor allem zwei kritische Punkte, die der Überarbeitung bedürfen: Zum einen verkennt eine Senkung der Höchstbefristungsdauer auf drei Jahre in der PostDoc-Phase, dass diese Zeit sowohl einer grundsätzlichen Orientierung dient als auch dazu, den Beschäftigten Zeit und Möglichkeit zum Kompetenzerwerb und zur Profilierung zu geben, um sich im Anschluss erfolgreich in Auswahlverfahren innerhalb oder außerhalb der Wissenschaft zu beweisen. Zum anderen droht eine weitere Öffnung der Tarifsperre zu einer Zersplitterung der Beschäftigungsbedingungen in Bund und Ländern zu führen.

Politik- und Gesellschaftsberatung spielen für die Leibniz-Gemeinschaft eine wichtige Rolle, was auch die „Leibniz-Leitlinie wissenschaftliche Politik- und Gesellschaftsberatung“ widerspiegelt. Können Sie Eckpunkte nennen, an denen sich die Leibniz-Institute orientieren sollten?

Unabhängige Politik- und Gesellschaftsberatung bilden einen zentralen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit von Leibniz-Instituten. Sie findet immer auf der Basis aktueller exzellenter wissenschaftlicher Erkenntnisse statt und wird von keinen sonstigen Interessen geleitet. Dabei sind vor allem auch die Unsicherheiten und der Prozesscharakter wissenschaftlichen Arbeitens zu betonen.

Wichtig ist zudem, dass die Wissenschaft Handlungsoptionen und deren Konsequenzen aufzeigt, Entscheidungen aber allein von den gewählten Politikerinnen und Politikern zu fällen sind. Mit institutsübergreifenden Formaten wie „Leibniz im Bundestag“ oder dem „Bildungspolitischen Forum“ wird die Expertise der Leibniz-Gemeinschaft dabei im politischen Raum ganz besonders sichtbar.

Prof. Dr. Martina Brockmeier mit Prof. Dr. Josef Schrader
Prof. Dr. Martina Brockmeier, Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft mit DIE-Direktor Prof. Dr. Josef Schrader

Weitere Informationen

Das DIE als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft

Profil der Sektion A auf www.leibniz-gemeinschaft.de

 

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