DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Forschung, Entwicklung und Evaluation für die Erwachsenenbildung

 

Josef Schrader
Dr. Josef Schrader ist Leiter der Abteilung Planung und Entwicklung am DIE.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) bietet als wissenschaftliche Serviceeinrichtung neben der Bereitstellung von Daten und Dokumenten auch durch anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit Support für Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung. Welches Selbstverständnis und welche Arbeitsweise sind für die erfolgreiche Realisierung dieser Vermittlungsfunktion notwendig? Wie wirkt die Support-Leistung nach außen auf die innere Struktur zurück? - Josef Schrader beschreibt anhand der Abteilung Planung und Entwicklung exemplarisch Zielsetzung, Arbeitsfelder und organisationelle Bedingungen des DIE.

Abstract:
The German Institute for Adult Education (DIE) works as a provider of scientific services for both research and practical work in adult and further education, supplying institutions and researchers with statistical data, documents and support. Its strategic position at the interface between theory and practice corresponds with the institutes specific understanding of its own supportive function and distinctive corporate identity: transmitting scientific knowledge to practice and vice versa, producing learning media and materials, developping and implementing curricula, evaluating didactical models, carrying out research projects, kicking off and coaching innovative processes. The author, head of the departement „Planning and Development“ describes the variety of support functions realized in his departement.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung ist nach Auftrag und Selbstverständnis eine wissenschaftliche Serviceeinrichtung, die durch anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung vermittelt. Damit übernimmt das DIE bereits seit längerem eine Vermittlungsaufgabe, die heute mehr und mehr von der Wissenschaft insgesamt erwartet wird. Selbst Wissenschaftsorganisationen, die sich der Grundlagenforschung widmen, sehen sich mit dieser Anforderung konfrontiert.Hubert Markl, ehemals Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und seit 1996 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, hat jüngst darauf hingewiesen, dass der Forscher heute idealerweise zugleich Entwickler, Produzent und Verkäufer seiner Arbeit und seiner „Produkte“ sein müsse. Gesucht werde das „Allzweckgenie“, das „morgens entdeckt, mittags erfindet, nachmittags vermarktet und abends Kasse macht“ (Markl 1999, S. 26). Wenn man einschränkend darauf hinweist, dass das Hauptziel eines öffentlich geförderten Serviceinstituts nicht darin besteht, „Kasse zu machen“, beschreibt diese laxe Formulierung einerseits durchaus zutreffend die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im DIE. Andererseits macht Markl deutlich, dass eine solche Aufgabe nur arbeitsteilig gelöst werden kann. Er ist Realist genug, die Suche nach dem „Allzweckgenie“ für wenig aussichtsreich zu halten. Stattdessen plädiert er für eine engere Vernetzung von Forschung, Entwicklung, Produktion und Vermarktung in einem integrierten und auf Wechselwirkung ausgelegten System, einem System allerdings, das die Unterschiede zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung nicht verwischt, sondern deutlich profiliert. In einem solchen System haben Serviceeinrichtungen wie das DIE einen unverzichtbaren Platz.

Planung und Entwicklung

Die Namen der Abteilungen, in die das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung gegliedert ist, benennen den jeweils spezifischen Typ von Service, der in ihnen erbracht wird: Information und Publikation, Fortbildung und Beratung sowie Planung und Entwicklung sind zentrale Leistungen, die das Institut für Wissenschaft und Praxis der Erwachsenenbildung erbringt. Die Abteilung Planung und Entwicklung konzentriert ihre interdisziplinär und trägerübergreifend angelegte Arbeit, so kann man zugespitzt formulieren, auf Forschungen, Entwicklungen und Evaluationen zum Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung. Dabei werden neue Lernarrangements und Lernbedarfe erforscht, didaktische Konzepte und Materialien entwickelt, innovative Lernsettings initiiert und didaktische Materialien evaluiert. Die Projekte der Abteilung lassen sich danach unterscheiden, ob sie den Akzent stärker auf die Entwicklung, Erforschung und Evaluation didaktischer Materialien oder auf die Anregung und Begleitung innovativer Lernarrangements legen. Diese Projekte können hier weder vollständig noch ausführlich vorgestellt und erörtert werden. Vielmehr sollen einige Charakteristika der Projektarbeit hervorgehoben werden; für weitergehende Interessen verweise ich auf die einschlägigen Publikationen, die Darstellung im Internet oder auf den Jahresbericht des Instituts.

Makrodidaktische Planungs- und Entwicklungsarbeiten

In der Entwicklung didaktischer Materialien, von Curricula oder Rahmenlehrplänen hat das Institut eine lange und anerkannte Tradition: Verwiesen sei auf die Sprachenzertifikate und die Rahmenlehrpläne zur Gesundheits- und zur Frauenbildung. Neuere Zertifikate wie das Zertifikat Internet-Qualifikation, das inzwischen an die Prüfungszentrale des niedersächsischen Landesverbandes der Volkshochschulen übergeben wurde und umgehend in der Praxis angeboten wird, schließen an diese Tradition an. Ebenfalls abgeschlossen wurde vor einigen Monaten ein Zertifikat Deutsch am Arbeitsplatz. Dieses Zertifikat ist als offenes Curriculum konzipiert, das mit dem Kurs- und Prüfungskonzept zugleich ein Instrumentarium liefert, das es Weiterbildungsanbietern ermöglicht, in Kooperation mit Betrieben vor Ort branchen- und arbeitsplatzspezifische Sprachanforderungen ausländischer Arbeitnehmern mit nur geringen Bildungsvoraussetzungen zu identifizieren und gemeinsam passgenaue Lernkonzepte zu entwickeln. Das Besondere dieses Zertifikates besteht darin, dass die Implementation im Praxisfeld ihre Innovationskraft ohne Beratungsleistungen nur eingeschränkt entfalten kann. Diese Aufgabe ist aber durch die Projektfinanzierung nicht abgedeckt. Während bei den beiden genannten Zertifikaten curriculare Entwicklungsaufgaben im Vordergrund standen, erfordert ein gerade begonnenes Projekt einen vergleichsweise hohen Forschungsaufwand. Ausgangspunkt sind hier die zahlreicher und zunehmend schwieriger werdenden Übergänge von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in andere Berufe und Branchen. Über die fördernden und hemmenden Bedingungen solcher Übergänge ist bisher wenig bekannt. Das Projekt analysiert daher Passungsprobleme, arbeitet die für einen friktionsarmen Umstieg notwendigen Qualifikationen heraus, identifiziert Beratungsbedarfe und entwickelt, erprobt und evaluiert Qualifizierungsbausteine für einen Neueinstieg. Voraussetzung dafür ist eine intensive empirische Feldforschung, die sich mit einem zunächst offenen und methodisch differenzierten Instrumentarium der empirischen Sozialforschung (Experteninterviews, Beobachtungen, statistische Analysen) an Experten, Praktiker und erwachsene Lerner wendet und damit weit über übliche Formen der Bedarfsermittlung und Curriculumkonstruktion hinausgreift.

Evaluation didaktischer Materialien

In manchen Feldern verfügt die Abteilung Planung und Entwicklung nicht über die Kapazitäten, um selbst trägerübergreifend didaktische Materialien zu entwickeln. So ist es dem Institut bislang kaum möglich, über Modellversuche hinaus multimediale Produkte zu erstellen. Oft ist dies auch nicht nötig, da der „Markt“ entsprechende Angebote hervorbringt. In diesen Feldern konzentriert sich die Abteilung darauf, vorhandene Materialien etwa im Sprachenbereich zu evaluieren und in Evaluationsberichten zugänglich zu machen. Indem Kriterien für erwachsenengerechte multimediale Lehr-Lern-Programme entwickelt, auf vorhandene Materialien angewandt und über das Internet zur Verfügung gestellt werden, leistet die Abteilung Pionierarbeit: Die Evaluationsberichte helfen Lehrkräften und erwachsenen Lernenden bei notwendigen Auswahlentscheidungen, sie treiben die fachdidaktische Diskussion voran und liefern Programmentwicklern wertvolle Informationen für die Überarbeitung ihrer Materialien.

Anregung, Begleitung und Evaluation von Lernverbünden

Eine bereits heute bearbeitete und zukünftig wohl wichtiger werdende Aufgabe besteht in der Anregung, Begleitung und Evaluation von Lernverbünden und innovativen Lernarrangements. Beispielhaft sei auch hier wieder auf ein Projekt zum Lernen von Fremdsprachen verwiesen. Nach heutigem Verständnis ist Sprache vor allem ein interkulturelles Kommunikationsmittel. Die bisherige Organisation des Fremdsprachenlernens, die den normierten Unterricht in der Gruppe in den Mittelpunkt rückt, wird diesen Ansprüchen nicht gerecht. Erforderlich sind vielmehr eine weitgehende Individualisierung, der selbstständige Umgang mit authentischem Material und eine Kommunikation in der Zielsprache, die nicht nur für Lernzwecke simuliert ist. Der fachdidaktisch begründete Verbund von Selbstlernen und Fremdsprachenunterricht löst nicht nur die genannten Anforderungen ein, sondern bietet auch neue Möglichkeiten des zeitlich und örtlich flexiblen und kostengünstigen Lernens. Dabei spielen die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien eine wichtige Rolle.

Nicht zuletzt auf die Arbeit des DIE geht es zurück, dass neue Formen der Vernetzung von Weiterbildungseinrichtungen mit Institutionen des Beschäftigungssystems, der sozialen Arbeit und des politischen Systems in der Wissenschaft intensiv diskutiert werden. Dazu haben Projekte beigetragen, die regionale Kooperationsstrukturen zwischen Betrieben, Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften und politischen Institutionen anregen, unterstützen und evaluieren oder neue Beratungskonzepte für Weiterbildungseinrichtungen entwickeln. Ähnliches gilt für die Begleitung der Lerninitiativen älterer Menschen zwischen Selbstorganisation und Sozialengagement. Vergleichbare Entwicklungsaufgaben übernimmt die Abteilung in der Umweltkommunikation sowie in der kulturellen Weiterbildung, in der innovative Wege zur Integration neuer Medien in die Bildungspraxis erprobt und analysiert werden. Die Dokumentation dieser Entwicklungsprojekte ist eine wichtige Grundlage, um theoretische Fragen zur Systembildung in der Erwachsenenbildung empirisch zu fundieren.

Erfahrungen und Perspektiven

Die Projekte der Abteilung Planung und Entwicklung wollen zu einer dauerhaft innovativen Weiterbildungspraxis beitragen. Dabei beschränken sich ihre Wirkungen oft nicht auf den unmittelbaren Projektauftrag: So leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen aktiven Beitrag, Netzwerke zwischen Institutionen aus dem Praxisfeld zu knüpfen; sie stellen Kontakte zum Wissenschaftsfeld her, um auf neuere Entwicklungen in der Wissenschaftsdisziplin aufmerksam zu machen oder die entsprechende Literatur zu erschließen; sie stoßen Organisations- und Personalentwicklungsprozesse in Weiterbildungseinrichtungen an; sie helfen, vorhandene Konflikte und Entwicklungshindernisse zu benennen, und moderieren ihre Bearbeitung. Die Abteilung Planung und Entwicklung versucht nicht nur, innovative Projekte selbst anzustoßen; sie betreut seit 1997 auch den Preis für Innovationen in der Erwachsenenbildung, mit dem neue Entwicklungen in der Praxis aufgespürt, dokumentiert und bewertet werden (vgl. zuletzt Schlutz 1999). Wichtige Anstöße hat die Abteilung auch durch ihren Beitrag zur Aufarbeitung und Implementation des Genderaspektes in der Erwachsenenbildung geliefert; sie behandelt damit bereits seit längerem eine Thematik, die derzeit auch bildungspolitisch immer größere Beachtung findet.

„Service für die Wissenschaft“ soll, wenn immer möglich, in jedem einzelnen Projekt geleistet werden. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Die auffälligste Form besteht sicherlich in der Publikation der Projektergebnisse und ihrer Verbreitung auf Tagungen und Kongressen, die Wissenschaftler und Praktikerinnen miteinander ins Gespräch bringen. Es geschieht aber auch dadurch, dass Projekte von Beginn an mit Universitäten gemeinsam durchgeführt werden, dass der Wissenschaft neue Themenfelder erschlossen, neue Entwicklungen im Praxisfeld dokumentiert oder Zugänge zum Praxisfeld eröffnet werden. Service für die Wissenschaft wird nicht zuletzt dadurch geleistet, dass Projekte von wissenschaftlichen Beiräten begleitet werden, die die Anbindung der Projektarbeit an die theoretischen Diskurse ebenso sichern wie sie die wissenschaftliche Seriosität der Projektbearbeitung stützen.

Für die Perspektiven der Abteilungsarbeit ist entscheidend, dass der Bedarf an institutionell abgesichertem, dauerhaftem und längerfristig angelegtem Service steigt. Nur wenn diese institutionelle Absicherung vorhanden ist, kann zu Recht von „Support-Strukturen“ gesprochen werden. Die Voraussetzungen für solche „Support-Strukturen“ verbessern sich dadurch, dass dem Institut ein Zuwachs an institutionell geförderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugesagt wurde. Auf der anderen Seite ist zu beobachten, dass die Projektförderung zu kürzeren und eingeschränkten Finanzierungen tendiert. Die Auswahl exemplarischer Projekte zeigt, dass in Zukunft z.B. die Implementation von didaktischen Konzepten in der Praxis stärker mitbedacht werden muss. Unter den Bedingungen sich ausdifferenzierender Erwartungen an und Formen von Weiterbildung reicht es nicht mehr aus, standardisierte Materialien und Dienstleistungen anzubieten, vielmehr müssen diese auf je unterschiedliche Bedingungen angepasst werden. Dies bedeutet sowohl erhöhte Arbeitsanforderungen als auch eine neue Form der Projektkonzeption. Damit verbessern sich zugleich die Möglichkeiten, innovative Entwicklungen in der Weiterbildungspraxis evaluativ zu begleiten und diesen Implementationsprozess systematisch aufbereitet der Wissenschaft für Grundlagenforschung und Theoriearbeit zur Verfügung zu stellen.

Um dauerhaft Service leisten zu können, ist es notwendig, bisherige Projektschwerpunkte zu überdenken und auf den Bedarf der Praxis wie auch auf die Diskurse der Wissenschaft abzustimmen. Unter den Bedingungen eines zusammenwachsenden Europas und einer globalisierten Bildungslandschaft sind bei allen Projekten auch internationale Bezüge zu beachten: durch systematische Sichtung der einschlägigen Literatur, durch international ausgerichtete Kooperationen oder durch den Transfer von Projektergebnissen in die internationale Fachliteratur. Die Abteilung Planung und Entwicklung steht hier vor interessanten Herausforderungen. Dazu gehören auch die systematische Evaluation der erbrachten Serviceleistungen und die Präzisierung des spezifischen Typs von Forschung, der in der Abteilung wie im Institut insgesamt praktiziert wird.

Literatur

Markl, Hubert: Erfolg der Wechselwirkung. Grundlagenforschung und Anwendungspraxis. In: Wirtschaft und Wissenschaft, 7 (1999), H. 1, S. 24‑37

Schlutz, Erhard (Hrsg.): Lernkulturen. Innovationen, Preise, Perspektiven. Frankfurt/M.: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung 1999


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2000

Josef Schrader, Forschung, Entwicklung und Evaluation für die Erwachsenenbildung. Online im Internet:
URL: http://www.diezeitschrift.de/32000/positionen2.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp