Lernen ist in aller Munde: Lernen mit neuen Medien, Selbstgesteuertes Lernen, Lebenslanges Lernen - das sind derzeit die Schlagworte in der Weiterbildung. Auch von neuen Lernkulturen und Lernarrangements ist viel die Rede. Doch was heißt das für die Lehrenden? Haben sich nicht nur die Anforderungen an die Lernenden, sondern auch die Anforderungen an die Lehrenden geändert? Gibt es eine neue Lehrkultur? Und wenn ja, worin besteht sie? Dies herauszufinden war die Aufgabe einer wissenschaftlichen Tagung des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (Frankfurt/M, Bonn) am 29. und 30. Januar 2001 in Bonn an der über 100 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis der Weiterbildung teilnahmen.

Mittlerweile gibt es viele Beiträge zu neuen Lernkulturen. Neue Lehrkulturen werden dagegen weniger thematisiert. Auch die Anforderungen an das Lehrpersonal in der Weiterbildung werden recht abstrakt beschrieben: Sie sollen Lernermöglicher/in und Lernberater/in sein. Die Lehrenden in der Weiterbildung sind aber eine sehr heterogene Gruppe, das Verhältnis der verschiedenen Träger zu ihren Dozentinnen und Dozenten ist ganz unterschiedlich gestaltet – es gibt ehrenamtliche, nebenberufliche, freiberufliche Mitarbeitende oder befristet eingestellte Lehrende in einem Projekt. Aus diesem Grund ist es nicht leicht, etwas darüber zu erfahren, wie die Lehrenden mit den veränderten Anforderungen umgehen. Dazu sind empirische Untersuchungen erforderlich, auf deren Grundlage systematisch Fortbildungsangebote für die Lehrenden in der Weiterbildung entwickelt werden können. Hier einen Impuls zu geben, war Aufgabe der im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (bmbf) durchgeführten DIE-Fachtagung „Neue Lehr- und Lernkulturen in der Weiterbildung – Anforderungen an das lehrende Personal“. Der „Kulturbegriff“ in der Weiterbildung Historisch gesehen hat der moderne Kulturbegriff, der jetzt auch in der Weiterbildung Eingang gefunden hat, die „Unternehmenskultur“ als Vorgänger, erläuterte Prof. Dr. Wiltrud Gieseke, Humboldt Universität zu Berlin, in ihrem einführenden Vortrag zur Tagung. Damit haben Unternehmen sich eine Identität geschaffen, die anders nicht mehr gestiftet werden konnte. Als größter Bildungssektor hat die Weiterbildung ihr Aufgabenfeld zwischen Schule und Betrieb, sie unterliegt also weder einem Curriculum wie die Schule, noch dem Prinzip der wirtschaftlichen Effizienz wie die betriebliche Weiterbildung. Der Einzug des modernen Kulturbegriffs in die Erwachsenenbildung – „wir sprechen von Lehr-und Lernkultur“, so Gieseke – zeigt, dass es auch in diesem Bereich notwendig ist, sich klarer zu profilieren. Mit der Metapher „Weiterbildung ist eine Frau“ benennt die Berliner Professorin auch den Grund dafür: Die Weiterbildung leistet sehr viel, ohne dafür ausreichend öffentliche Anerkennung zu bekommen. Was die neue Lehr- und Lernkultur für die Weiterbildung konkret bedeutet, wurde bei der DIE-Tagung in fünf Workshops beleuchtet. Lehren und Lernen mit neuen Medien Das Online-Lehren und –Lernen und die dafür notwendigen Voraussetzungen und Bedingungen sind ein zentraler Aspekt in der Diskussion um eine neue Lehrkultur: Doch was ist die Aufgabe eines „Online-Tutors? Welche Erfahrungen gibt es dazu? Wie könnten Fortbildungen aussehen? Entscheidend sei, so brachte es eine Tagungsteilnehmerin auf den Punkt, dass sich das neue Profil nicht auf eine Person allein beziehen muss, sondern sich auch auf ein Team bestehend aus fachwissenschaftlich qualifizierten Autoren, didaktisch geschulten Mediengestaltern und moderierenden Lernberatern verteilen kann. Lernende sind keine „hohlen Gefäße“ Lernende sind keine „hohlen Gefäße“, die es zu füllen gilt. Sie lernen selbstverantwortlich und sind an der Gestaltung des Lernprozesses wesentlich beteiligt. Um ihnen dies zu ermöglichen, müssen Lehrende heutzutage Lernberatende sein. Das bedeutet, dass sie andere Kompetenzen als bisher benötigen: Sie müssen mehr darüber wissen, wie Erwachsene lernen, und sie brauchen neue Methoden, die ihnen dieses Lernen erleichtern. Benötigt wird also eine größere Erschließungs- und Methodenkompetenz, um zu „Lernermöglichenden“ zu werden – so die einhellige Einschätzung der Diskutanten. Neue Medien und Lehrkultur Zweifelsohne verändern die neuen Medien die Lernkultur, doch was bedeutet dies für die Lehrkultur? Lehrende müssen Lernende am Computer in vielfältiger Hinsicht beraten können. Sie benötigen eine neue Bera-tungskompetenz, die sie sich erst aneignen müssen. Voraussetzung dafür ist, dass die Dozenten in der Weiterbildung materiell abgesichert sind und die bestehenden Arbeitsformen reformiert werden. Dennoch kann Beratung allein das bisherige Lehren nicht ersetzen. Selbstgesteuertes lernen ohne Lehren? Allen aktuellen Definitions- und Theorieansätze des „selbstorganisierten Lernens“ (institutionell unterstützt oder außerinstitutionell) und deren Bedeutung für das lebenslange Lernen gemeinsam ist die Überzeugung, dass selbstorganisiertes Lernen Ressourcen braucht. Ressourcen für die Lehrenden: Supervision und Beglei-tung, Ressourcen für die Lernenden: Räume, Lernarrangements, Zeit und damit nicht zuletzt auch Ressourcen für die Institution. Bezugspunkte für Lehrkulturen Wie Erwachsene lernen ist schwer zu fassen. Der Übergang vom Nicht-Wissen zum Wissen, also das Lernhandeln, ist auch individuell geprägt. Das „Lernen lernen“ muss deshalb stärker in die persönliche Verantwor-tung des Lernenden gelegt werden. Eine Möglichkeit, dieses Lernhandeln bewusster und für die Weiterbildung fruchtbar zu machen, besteht darin, biografische Interessen bzw. biografisch erworbenes Erfahrungswissen der Lernenden in den Reflexionsprozess einzubeziehen. Dazu gehört es auch, die Voraussetzungen für biografisch orientiertes Lehren und Lernen zu untersuchen. Was bedeuten die neuen Lehr- und Lernkulturen für die Weiterbildungspolitik? Welche Konsequenzen die neuen Lehr- und Lernkulturen für die Weiterbildungspolitik haben, wurde in einem abschließenden Gesprächsforum diskutiert. Anders als bisher, so Herr Küchler, MdB, müsse sich der Bund der Weiterbildungspolitik annehmen. Das sich rasch verändernde Qualifikationsprofil der Menschen in der neuen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft mache dies notwendig, sie müssen ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten und politisch teilhaben können. Konkrete Handlungsfelder für die Weiterbildungspolitik sieht er beispielweise in der Qualitätssicherung, einer größeren Transparenz, dem Verbraucherschutz und der Qualifizierung des Personals. Die Weiterbildung nicht zugunsten eines eingeschränkten Verständnisses von Beschäftigungsfähigkeit zu instrumentalisieren, davor warnte Dr. Ursula Herdt, GEW. Dass der neue Begriff des selbstorganisierten Lernens dem politischen Kalkül dient und bewusst dem institutionellem Lernen entgegen gestellt wird, darin sieht sie eine weitere Gefahr. „Das neue Paradigma des Lebenslangen Lernens erfordert zur Realisierung enorme Finanzmittel – wenn man es ernst nimmt“, so Herdt. Um dem zu begegnen, würde in der Politik gern die Illusion verbreitet, dass alles informell und selbstorganisiert zu leisten wäre. Wie die Menschen letztendlich dazu bewegt werden können, Lernangebote freiwillig wahrzunehmen, ist für Dr. Ralph Bergold, Geschäftsführer der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (KBE) ein zentrales Thema. Da Bildungsangebote unweigerlich mit Freizeitangeboten konkurrierten, das „lebenslange Lernen“ aber immer wichtiger werde, so Bergold, sei es notwendig, mehr über das Nachfrage-verhalten der Teilnehmenden herauszufinden. Die hohen Anforderungen an die Lernleistungen der Individuen führten dazu, die Menschen mit der Aufforde-rung allein zu lassen, sie sollten möglichst viel selber organisieren, befürchtet Prof. Dr. Ekkehard Nuissl von Rein, DIE. Er warnt vor ,„dieser neuen Art des Bildungsverständnisses“, denn sie provoziere eine Entgrenzung von Bildung – mit der Folge, dass immer unklarer werde, „was man als Pädagoge noch gestalten und verantworten kann.“. Damit die Weiterbildungspädagogen mit diesen neuen Anforderungen nicht allein bleiben, werden auf der Grundlage der Tagungsergebnisse der entsprechende Fortbildungsbedarf diagnostiziert und Forschungsdesiderate formuliert. Dazu werden einige der Experten, die an der Tagung teilnahmen, noch einmal zusammen kommen. Zum Ende des DIE-Projekts ist eine umfassende Dokumentation geplant, die voraussichtlich im Herbst 2001 erscheinen wird.

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