Unter dem Titel „Food Literacy - Schmackhafte Angebote für die Erwachsenenbildung“ führten der aid infodienst und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung am 12.06.2007 in Bonn eine Fachtagung durch. Damit wollten die Veranstalter Entscheidungsträger/innen der Erwachsenenbildung dafür gewinnen, Ernährungskompetenzen als Querschnittsthema in ihre vielfältigen Angebote zu integrieren und ihnen konkrete Hilfestellungen anzubieten. Die Resonanz war durchweg positiv, so dass eine zweite Fachtagung im November sowie eine Schulung für Multiplikator/innen vorgesehen sind. Mit dieser Veranstaltung hat das DIE das Spektrum seiner Beschäftigung mit dem Themenkomplex „Kompetenz“ um eine weitere Facette ergänzt und die Arbeit des neuen Forschungsprogramms „Inklusion durch Weiterbildung“ gestartet.

„In vielen Familien ist der Fernseher inzwischen zur Ersatz-Feuerstelle geworden“ so brachte Frau Prof. Ploeger von der Universität Kassel die zahlreichen Widersprüche des heutigen Ernährungsalltags auf den Punkt. Anstatt gemeinsam zu kochen und zu essen, schaue man sich Kochsendungen an. Diese vermittelten zwar Geborgenheit und Geselligkeit auf der emotionalen Ebene, trügen aber kaum zur Steigerung der Kochkünste der Zuschauenden bei. Während eine kleine - relativ gut verdienende und gebildete - Minderheit sich des globalen Lebensmittelangebots erfreut, nehmen die Ernährungskompetenzen in immer breiteren Kreisen der Bevölkerung weiter ab. Veränderte Familienstrukturen, neue Arbeitsformen, Zeitdruck, unüberschaubares Lebensmittelangebot, widersprüchliche Empfehlungen und kritische Finanzlage sind Gründe dafür. Gleichzeitig vermitteln Schule und Familie wenig Wissen über die Zusammensetzung und Zubereitung von Lebensmitteln. Esskultur und ökologische Verantwortung bleiben auf der Strecke. Die Diskrepanz zwischen wachsenden Anforderungen und sinkenden Kompetenzen ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem. Die Erwachsenenbildung ist herausgefordert, diesem Ungleichgewicht mit innovativen Bildungsangeboten entgegenzuwirken. Unterstützung bieten der aid infodienst und das DIE. Die Veranstaltung vom 12. Juni ist Teil des gleichnamigen von der EU-Kommission geförderten Grundtvig Projekts „Food Literacy“. Analog zum Begriff „Literacy“, der im Bildungsbereich für Lese- und Schreibkompetenz steht, bezeichnet „Food Literacy“ die Fähigkeit, den Ernährungsalltag selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und genussvoll zu gestalten“. Im Rahmen des Projekts wurden Arbeitsmaterialien für verschiedene Bereiche der Erwachsenenbildung entwickelt und erprobt. Diese sollen einen bewussten Umgang verschiedener Adressaten mit Ernährung unterstützen. Etwa 45 Ewachsenenbildner/innen aus Praxis und Wissenschaft diskutierten, welche Möglichkeiten Food Literacy bietet, wo die Methoden einsetzbar sind, aber auch wo ihre Grenzen sind. Es herrschte Konsens darüber, dass Food Literacy ein zunehmend wichtiges Querschnittsthema ist, das in viele Bildungsangebote integriert werden kann. Besondere Aufmerksamkeit wurde Gruppen geschenkt, die von Exklusion bedroht sind wie Arbeitsuchende und Migrant/innen in ländlichen Gebieten. Die vorgestellten Pilotprojekte zeigen, dass die entwickelten Materialien auch in diesen Gruppen gut ankommen. Von einem solchen Pilotprojekt berichtete Margaret Haas aus Hachenburg. In ihrem Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ beschäftigten sich die ausländischen Teilnehmerinnen mit der Herkunft von Schokolade. Über das Einüben von grammatischen Strukturen, neuem Wortschatz und Diskursstrategien, wurden sie zum Nachdenken über das eigene Einkaufsverhalten angeregt. Silvia Danninger aus Wien berichtete von einem Qualifizierungskurs für Arbeitsuchende. Durch das Zusammenstellen eines Kochbuchs mit den eigenen Lieblingsspeisen lernten die Teilnehmenden den Umgang mit dem Computer, wie Texte schreiben und Internetrecherche. Zum anderen reflektierten sie wie genussvolles Essen in Krisenzeiten zum Erhalt der Leistungsfähigkeit und des Selbstwertgefühls beitragen kann. Dagmar Stumpf, Anleiterin in der Beschäftigung Initiative „Frauen Arbeit Bildung gGmbH“ im Wetteraukreis berichtete über die Erprobungen in verschiedenen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Angeregt von den Aktivitäten aus dem Handbuch, kreierten die Teilnehmerinnen der Weiterbildung für Schulkiosbetreiberinnen neue Rezepte und setzen sich dabei bewusster mit gesundem und schmackhaftem Kost für ihre junge Kundschaft auseinander. Dass die Tagung sehr erfolgreich war, bestätigen nicht nur die positive Schlussauswertung, sondern vielmehr die Rückmeldungen der Teilnehmer/innen über Erprobung und weitere Entwicklungen in der eigenen Arbeit und Institution. Weitere Informationen: Dr. Maike Groeneveld, aid infodienst und Dott. Matilde Grünhage-Monetti, DIE http://food-literacy.org/opencms/opencms/foodlit/de/leftNav/start/index.html Handbuch und Methodensammlung „Food Literacy – Schmackhafte Angebote für die Erwachsenenbildung“ finden Sie im Internet zum Download unter: http://food-literacy.org/opencms/opencms/system/galleries/download/FL-public/FL_guidelines_de.pdf

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