Erwachsenenlernen im Rahmen der vielfältigen Interaktionen innerhalb der Familie gab es schon immer. Die Vermittlung der Normen, Werte und des Betriebswissen, die zum Überleben notwendig waren, war an Lernprozesse der Erwachsene gebunden. Es gab vielfältige Formen der Selbstbildung. Die Eltern waren gleichzeitig die Erzieher und Lehrer ihrer Kinder, insbesondere in den Zeiten, in denen es keine allgemeine Schulpflicht gab. Wenn lesen, schreiben, rechnen gelernt wurde, dann durch die Eltern. Hinzukam, dass die Erwachsenen auch in der Epoche der „Ökonomie des ganzen Hauses“ Lernprozesse zur Anpassung an sich verändernde allgemeine Rahmenbedingungen, wie z.B. zunehmende schriftliche vertragliche Regelungen, zu bewältigen hatten.

Die notwendigen Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen konnten sie in der frühen Neuzeit in den größeren Handelsstädten an städtischen Privatschulen erwerben.

Von einer Privatschule in Basel ist ein Werbeschild von 1518 überliefert, gemalt von Hans und Ambrosius Holbein, auf dem das Lernangebot für Kinder und Erwachsene dokumentiert ist. Belegstellen dieser Art, die privatwirtschaftliche Ansätze des institutionalisierten lebenslangen Lernens vorstellen, gibt es bislang wenige. Das Thema selbst ist von der historischen Erwachsenenbildungsforschung bislang nicht erforscht.

Quellentext:

„Wenn jemand gerne deutsch lesen und schreiben lernen möchte, auf die allerkürzeste Weise, wie sich jeder denken kann, so dass jeder, auch wenn er vorher keinen Buchstaben kannte, kurz und rasch, die Methode, mit der er selbst seine Schuld aufschreiben und lesen lernt, begreift, so kommt herein, gleich ob er Bürger oder Handwerker, Frau oder Jungfrau sei, er wird sorgfältig unterrichtet zu angemessenem Lohn. Wer aber so ungeschickt sei, dass er es gar nicht lernt, den will ich umsonst unterrichtet haben und gar nichts von ihm als Lohn annehmen.

Dem Maler gelingt es, die Personen sehr genau zu charakterisieren. Die Burschen in stutzerhafter Kleidung, mit einmal gestreifter, einmal geschlitzter Hose, mit weit geschnittenen Hemden und knappen Wämsen, scheinen in der Tat bis heute wenig Zeit und Mühe für die allergrundlegendsten Bildungsgüter geopfert zu haben. Schon das Stillsitzen fällt ihnen schwer, besonders jenem links, der, einem eingespannten Bogen gleich, mit noch ausgestreckten linken Bein sich so niedergelassen hat, als wolle er so bald wie möglich wieder davonspringen.“ (Lindemann 1987, 11)

Literatur:

Bruchhäuser, Hanns-Peter (1989): Kaufmannsbildung im Mittelalter. Determinanten des Curriculums deutscher Kaufleute im Spiegel der Formalisierung von Qualifizierungsprozessen. Köln

Lindemann, Bernd Wolfgang (1987): Ein Schulmeister schilt vf beiden seiten gemolt. Holbeins Beitrag zur Frühgeschichte des Genrebildes. Basel

Nonn, Ulrich (2012): Mönche, Schreiber und Gelehrte. Bildung und Wissenschaft im Mittelalter. Darmstadt

Internetquellen:

Literatur zum Auftraggeber der Werbetafel, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_Myconius

 

 

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Klaus Heuer