Am 17. Juni 2024 wurde der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“ veröffentlicht. Alle zwei Jahre informiert er über Entwicklungen in sämtlichen Bildungsbereichen – von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung.

Das diesjährige Schwerpunktthema widmet sich der beruflichen Bildung. Dem Schwerpunktkapitel liegt ein breites Verständnis beruflicher Bildung zugrunde, das die berufliche Orientierung für Jugendliche die Berufsausbildung, die berufsbezogene Weiterbildung und die hochschulische Bildung umfasst. Neben Fragen der Governance und der Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung werden u.a. kontinuierliche und diskontinuierliche berufliche Karrieren betrachtet.

Kapitel G „Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter“ präsentiert ausgewählte Kennzahlen zum Weiterbildungsangebot, zu Weiterbildungsanbietern, zum Teilnahmeverhalten und zu den Erträgen von Weiterbildung. Das Personal in der Weiterbildung wird diesmal mit einem eigenständigen Indikator thematisiert. Hierfür wurde unter anderem das TAEPS-Personalpanel ausgewertet. Außerdem werden erstmals Kennzahlen zum hochschulischen Weiterbildungsangebot sowie zur Teilnahme an Alphabetisierung- und Grundbildungsangeboten präsentiert.

Zentrale Ergebnisse für die Erwachsenen- und Weiterbildung

Weiterbildungsbeteiligung: das Niveau bleibt hoch, aber hinter selbstgesteckten Zielen zurück

Die Weiterbildungsbeteiligung ist auf hohem Niveau: 83 Prozent der 18- bis unter 70-Jährigen haben sich laut AES 2022 innerhalb der letzten 12 Monate formal, non-formal oder informell [1] weitergebildet. Das gesetzte Ziel der Bundesregierung, die Beteiligung an formaler und non-formaler Weiterbildung der 25- bis unter 65-Jährigen bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern [2], ist aber noch nicht erreicht: 2022 lag die Beteiligung in dieser Altersgruppe bei 54 Prozent. Während die Teilnahme an informellen Lernaktivitäten steigt, stagniert die non-formale Weiterbildungsbeteiligung. Bildungsurlaub, auf den in fast allen Bundesländern ein gesetzlicher Anspruch besteht, wird kaum in Anspruch genommen: Nur rund ein Prozent der berichteten Weiterbildungsaktivitäten wird im Rahmen einer landesgesetzlichen Freistellung realisiert. Die Weiterbildungsberichterstattung zu Älteren oder Hochaltrigen bleibt eingeschränkt, könnte aber ausgebaut werden, wenn das Instrumentarium bestehender Befragungen oder die Stichproben bestehender Monitoring-Studien erweitert würden.

Weiterbildungsbeteiligung: soziale Unterschiede bleiben bestehen

Weiterbildung findet meist parallel zu einer Erwerbstätigkeit statt. Deshalb haben der Bildungsstand und die berufliche Stellung maßgeblichen Einfluss auf die Weiterbildungsbeteiligung und auf die Wahrscheinlichkeit, z.B. vom Betrieb bei Weiterbildungsaktivitäten unterstützt zu werden. Zwischen Männern und Frauen sind keine Unterschiede in der Beteiligung an Bildungs- und Lernaktivitäten mehr zu erkennen, sobald man die Bildungsabschlüsse und die Stellung im Erwerbssystem berücksichtigt. Arbeitslose, Personen mit einem geringen Bildungsstand sowie Personen mit eigener Einwanderungsgeschichte bilden sich weiterhin deutlich seltener weiter; die Gründe dafür sind vielfältig. Bildungspolitisch initiierte Regelungen wie z.B. bei der geplanten Bildungs(teil)zeit sollten so flexibel gehandhabt werden können, dass individuelle Lebenssituationen bei der Weiterbildungsförderung berücksichtigt werden, insbesondere dann, wenn bislang unterrepräsentierte Personengruppen gefördert werden sollen. Denn nicht alle Berufsgruppen haben gleichermaßen die Möglichkeit, sich fort- und weiterzubilden, selbst dann nicht, wenn sie selbst Weiterbildungsbedarf sehen. Weiterhin wird auch das Internet nicht von allen als Lernort genutzt. Insbesondere die Beteiligung Geringqualifizierter sowie von Personen im Alter von über 65 Jahren an Online-Lernformaten liegt deutlich unter der durchschnittlichen Beteiligung.

Digitales Lernen: mehr digitale Formate

Im Jahr 2022 wurden nur noch 45 Prozent der non-formalen Weiterbildung in Präsenz durchgeführt. Gegenüber 2020 haben sich die Lernformate in der Weiterbildung weiter diversifiziert, mit einem deutlichen Anstieg digitaler Veranstaltungen. In der beruflichen Weiterbildung wird fast die Hälfte der Veranstaltungen überwiegend oder vollständig online durchgeführt, während dieser Anteil in der allgemeinen Weiterbildung nur 30 Prozent beträgt.

Unter den Anbietern führen (Fach-)Hochschulen, betriebliche und kommerzielle Anbieter das Feld mit einem hohen Anteil (über 40 %) reiner Onlineveranstaltungen an, bei gemeinschaftlich ausgerichteten Anbietern (bspw. von Verbänden oder Kammern) sowie Volkshochschulen überwiegen weiterhin Präsenzveranstaltungen. Die Digitalisierung erhöht den Wettbewerbsdruck und drängt auch traditionell agierende Anbieter, innovative Lernangebote zu entwickeln. Mit digitalen Plattformen lassen sich zudem neue Anbietertypen beobachten, die teils kommerziell, teils gemeinwohlorientiert arbeiten.

Betriebliche Weiterbildung: Mittelfristige Einschränkungen des Weiterbildungsangebots von Betrieben

Trotz allgemein verbesserter wirtschaftlicher Entwicklung in den Jahren 2021 und 2022 waren im ersten Halbjahr 2022 deutlich weniger Betriebe (42 %) weiterbildungsaktiv als vor der Corona-Pandemie (2019: 55 %). Betriebe des produzierenden Gewerbes sowie Betriebe, die Dienstleistungen erbringen, haben ihre Weiterbildungsaktivität im Durchschnitt besonders stark eingeschränkt. Branchen, die als wissensintensiv gelten (u. a. Information/Kommunikation, Gesundheits- und Sozialwesen) sowie jene der nichtgewerblichen Wirtschaft (u. a. Erziehung und Unterricht) haben ihre Weiterbildungsaktivität dagegen schneller wieder ausgebaut. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind weiterhin deutlich seltener weiterbildungsaktiv.

Die Chancen, durch Weiterbildung gefördert zu werden, gestalten sich für die verschiedenen Beschäftigtengruppen in den jeweiligen Betrieben ganz unterschiedlich. Die seit 2019 ausgeweitete, öffentlich finanzierte Weiterbildungsförderung von Beschäftigten wird nur wenig in Anspruch genommen, was u. a. mit mangelnder Information und unzureichender Kenntnis konkreter Förderbedingungen in Betrieben zusammenhängt. Die Vielzahl zum Teil parallel bestehender Förderprogramme von Bund und Ländern befördert Unübersichtlichkeit; zudem werden diese Programme häufig nicht umfassend evaluiert. 

Wissenschaftliche Weiterbildung: unterschiedliches Angebot der Hochschulen

Hochschulen engagieren sich in den letzten 10 Jahren zunehmend in der Weiterbildung, vornehmlich mit weiterbildenden Studiengängen und Zertifikatsangeboten. Als eigenständiger Bereich stellt die wissenschaftliche Weiterbildung mit einem Anteil von drei Prozent am gesamten Weiterbildungsangebot aber weiterhin einen Nischenbereich dar.

Zwischen öffentlichen und privaten Hochschulen bestehen deutliche Unterschiede, sich in der Weiterbildung zu engagieren. Öffentliche Hochschulen bieten zwar ebenso häufig mindestens einen weiterbildenden Masterstudiengang an wie private Hochschulen. Relativ zu ihrem Gesamtangebot haben private Hochschulen aber ein deutlich ausgeprägteres weiterbildendes Profil: 43 Prozent ihrer Masterstudiengänge sind weiterbildend gegenüber lediglich 11 Prozent an öffentlichen Hochschulen. Die Unterschiede nach Trägerschaft und Hochschultyp dürften einerseits Ausdruck der EU-beihilferechtlich unklaren Lage sein, ob Weiterbildung an Hochschulen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, andererseits Ausdruck strategischer Entscheidungen im Spannungsfeld von Forschungsorientierung und Third-Mission-Engagement.

Lehrkräfte: Zugangswege sehr heterogen

Das Qualifikationsniveau der Lehrkräfte, Dozenten, Trainerinnen und Coaches in der Weiterbildung ist sehr hoch: 81 Prozent haben einen Hochschul- oder Meisterabschluss. Grundständige pädagogische Qualifikationen sind dagegen seltener: 27 Prozent verfügen über einen pädagogischen Hochschul- oder Lehramtsabschluss. Bis auf wenige Ausnahmen (u. a. im Bereich der Integrations- und Berufssprachkurse) ist der Zugang kaum reglementiert und offen für verschiedene fachlich oder pädagogisch qualifizierte Personen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der geringen Reglementierung und vielfältiger Abschlüsse haben Zusatzqualifikationen (u.a. Train-the-Trainer oder Coaching-Ausbildungen, DaF/DaZ-Zertifikate), über die 80 Prozent der Lehrkräfte verfügen, einen zentralen Stellenwert. Die Sicherung der Qualität von Lehr-Lern-Prozessen wird bislang kaum durch bildungspolitische Initiativen adressiert.

Lehrpersonal: Fachkräftemangel auch in der Weiterbildung

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften lässt sich inzwischen auch in der Weiterbildung beobachten: Einrichtungen der Weiterbildung haben zunehmend Schwierigkeiten, geeignetes Lehrpersonal zu finden. Auf die angespannte Personallage wird im Bereich der Integrationskurse mit einer Flexibilisierung der Zugangsvoraussetzungen reagiert, bislang noch nicht mit einer Herabsetzung der Mindestvoraussetzungen. Wie andere Weiterbildungsbereiche auf die Rekrutierungsprobleme reagieren, gilt es künftig zu beobachten. Die Steigerung der Attraktivität einer Tätigkeit in der Weiterbildung ist u. a. an eine bessere Finanzierung gebunden. Der politische Handlungsspielraum in der öffentlich verantworteten beruflichen und allgemeinen Weiterbildung wird hierzu bislang jedoch kaum genutzt.

Integrationskurse: Bedarf seit Krieg in der Ukraine stark angestiegen

Seit dem Krieg in der Ukraine musste das Integrationskursangebot kurzfristig deutlich ausgebaut werden. Wie die Anzahl neuer Teilnehmender an Integrationskursen belegt, ist dieser Ausbau gelungen, während gleichzeitig das Angebot an Berufssprachkursen stagniert. Aus den Integrationskursen tritt etwa jeder vierte Teilnehmende vorzeitig aus und bleibt für mindestens neun Monate inaktiv. Die Gründe und Folgen von Inaktivität sind bislang kaum untersucht. Auch bedarf es weiterer Forschung zur Bedarfsdeckung des vorgehaltenen Angebots, zu den mittel- und langfristigen Wirkungen der (Nicht-)Teilnahmen sowie zu der Verknüpfung von Integrations- und Berufssprachkursen.

 

Über den nationalen Bildungsbericht: Zielgruppen, Inhalte, Aktualität

Politik, Praxis oder interessierte Öffentlichkeit – an wen richtet sich der nationale Bildungsbericht?

Die Zielgruppe des Berichts ist breit: Bildungspolitik, Bildungsadministration und Öffentlichkeit. Im Kapitel G zur Weiterbildung werden ausgewählte Kennzahlen systematisch dargestellt. Der Bericht stellt Transparenz her, informiert über die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und benennt die aktuellen Herausforderungen. Damit bietet er eine Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung des Bildungssystems. Auch pädagogisch Tätige wie Lehrende oder das Leitungspersonal können die Informationen praktisch nutzen. Sie erhalten eine umfassende Übersicht über den Weiterbildungsbereich und können die eigene Tätigkeit, Zielgruppen und Teilnehmende, Einrichtungs- und Angebotsprofile sowie Entwicklungsstrategien verorten. Zudem gibt der Bericht Hinweise darauf, wo Wissenschaft und Politik zentrale Herausforderungen für den Bildungsbereich sehen. Das kann Orientierung für die Entwicklung von Programmen und Angeboten geben sowie mittel- und langfristig auch die Akquise und Drittmitteleinwerbung unterstützen.

Fokussierung der Berichterstattung – wie begründet sich die Auswahl der Inhalte?

Der Bericht ist eine Gesamtschau des Bildungssystems. Dabei können nicht immer alle Entwicklungen betrachtet werden – etwa die, die nur auf regionaler Ebene auftreten. Neben langfristigen Trends wie dem der Digitalisierung werden kurz- bis mittelfristige Einflüsse wie die Corona-Pandemie auf die Leistungsfähigkeit des Weiterbildungssystems erörtert. Zudem werden dauerhafte Herausforderungen an die Weiterbildung sowie bildungspolitische Initiativen, Strategien und Programme aufgegriffen; beispielhafte Themen sind soziale Ungleichheiten oder regionale Disparitäten. In jedem Bericht wird ein Themenschwerpunkt (2020: Bildung in einer digitalisierten Welt; 2022: Bildungspersonal; 2024: Berufliche Bildung) behandelt. Inhaltliche Einschränkungen können sich ergeben, wenn zu bestimmten Themen keine oder keine aktuellen Daten zur Verfügung stehen. So ist derzeit beispielsweise nur wenig über die Weiterbildungsbeteiligung von Personen im Rentenalter oder von Hochaltrigen bekannt. In solchen Fällen wird auf Datenlücken hingewiesen.

Langfristige Trends und aktuelle Herausforderungen – wie aktuell ist der Bericht?

Nicht zu allen aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen kann der nationale Bildungsbericht mit seinem zweijährigen Zyklus statistische Kennzahlen bereitstellen, insbesondere dann nicht, wenn wie in der Vergangenheit kurz vor Veröffentlichung krisenhafte Entwicklungen eintreten. Dies liegt daran, dass amtliche Statistiken und Daten sozialwissenschaftlicher Erhebungen erst mit Zeitverzug für Auswertungen zu Verfügung stehen. In der Regel liegt der Datenstand im Bildungsbericht durchschnittlich zwei Jahre zurück, d.h. die meisten Indikatoren im Bildungsbericht 2024 beziehen sich auf das Jahr 2022. Allerdings stehen für einzelne Statistiken mittlerweile auch unterjährige Veröffentlichungen zur Verfügung, sodass sich im Bildungsbericht 2024 die Kennzahlen zum Onlinelernen sowie zu den Integrationskursen bereits auf das Jahr 2023 beziehen. Die Auswertungen zur hochschulischen Weiterbildung auf Basis des Hochschulkompass und der Weiterbildungsdatenbank „hoch&weit“ beziehen sich sogar auf März 2024, da Datenbankauszüge kurzfristiger ausgewertet werden können.

Der Bericht „Bildung in Deutschland“ wird von einer unabhängigen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstellt, die folgende Einrichtungen vertreten: Das DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (Federführung), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE), das Deutsche Jugendinstitut (DJI), das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) an der Georg-August-Universität sowie die Statistischen Ämter des Bundes (Destatis) und der Länder. Die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördern die Erarbeitung des Berichts.

Über die Autoren

Jonathan Kohl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung „System und Politik“ am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V.

Prof. Dr. Josef Schrader ist wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V.

Der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2024“ ist vollständig und kostenlos abrufbar: www.bildungsbericht.de

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[1] Zur Erläuterung von formaler, non-formaler oder informeller Bildung: Wörterbuch Erwachsenenbildung Formale – non-formale – informelle Bildung – Digitales Wörterbuch Erwachsenen- und Weiterbildung (wb-erwachsenenbildung.net)

[2] Der EU-2030 Zielwert wurde im Rahmen des European Pillar of Social Rights Action Plan festgelegt. Der Weiterbildungsbegriff differiert hierbei vom nationalen Monitoring und umfasst sowohl formale als auch non-formale Bildung. Schulungen am Arbeitsplatz werden hierfür ausgeschlossen, die im nationalen Monitoring regulär zu non-formaler Weiterbildung gezählt werden.

 

 

Foto: Sandra Seifen

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